Statement zu Gewaltbenennungen im Komplex

Content note: Erwähnung körperlicher, psychischer und verbaler Gewalt, patriarchalem Verhalten, Aufarbeitungsprozess

Wir wurden als Kollektiv des Komplexes in einem Statement einer Gewalt ausübenden Person (im Folgenden bezeichnet als GaP) erwähnt und wollen daher das Geschehene aus unserer Sicht kurz darlegen. Bisher hatten wir uns dazu entschieden, vorerst keine öffentlichen Informationen dazu bekannt zu geben. Uns war es wichtig, auch in Absprache mit den Betroffenen, den Schutz der Persönlichkeit zu wahren und den Aufarbeitungsprozess erst einmal abzuwarten. Aber nach den öffentlichen Benennungen der letzten Wochen sehen wir es nun als wichtigen Schritt an, den Prozess auch öffentlicher transparent zu machen.

Anfang des Jahres 2025 wurde körperliche und verbale Gewalt im Komplex durch die Person ausgeübt, die sich nun dazu geäußert hat – ohne uns bekannte Absprache mit den betroffenen Personen. Bereits wenige Tage nach der Tat wurde die Aufarbeitung in Abstimmung mit den Betroffenen und dem Kollektiv begonnen. In diesem Rahmen hat sich eine Prozessgruppe mit Menschen aus dem Umfeld des Hauses gebildet, die für alle Parteien (Betroffene, Bewohnende des Hauses, Menschen des Kollektivs sowie die GaP) ansprechbar ist. Damit wollten wir einen kollektiven Umgang ermöglichen, der für die Sicherheit der Betroffenen sorgt und der ohne staatliche Repressionsorgane auskommt. Außerdem strebten wir an, einen alleinigen Ausschluss der GaP zu verhindern und die Ermöglichungsbedingungen von solchen Taten in unserer Struktur in den Blick zu nehmen. Eine langfristige Reflexion und Auseinandersetzung zum Umgang mit Gewalt sollte damit ebenfalls begonnen werden.
Kurzfristig ging es zunächst darum, einen Schutzraum für die Betroffenen zu schaffen und die GaP zu einer Reflexion des eigenen Verhaltens sowie zu einer Verantwortungsübernahme zu bewegen. Die Gruppe führte daher zum einen Gespräche mit den Betroffenen, in denen ihre Bedürfnisse und Wünsche und Einschätzungen des Prozesses regelmäßig erfragt wurden. Zum anderen wurde das Geschehene sowie die Entwicklungen im Plenum transparent gemacht, um auch die Bedürfnisse der Mitbewohnenden sowie von weiteren Kollektivmitgliedern in den Prozess einzubeziehen und kollektiv einen Umgang damit zu finden. Über einen Zeitraum von fünf Monaten gab es mehrere Gespräche mit der GaP, in denen die Gewalt zunächst benannt wurde und dann dargelegt wurde, welche Wünsche es aus dem Projekt, von den gewalterfahrenden Personen und von den Bewohnenden gibt. Dazu gehörte u.a. die Reflexion und Aufarbeitung sowie die Schaffung eines Schutzraumes für die Betroffenen durch einen eingeschränkten Zugang zu den Räumlichkeiten des Hauses (v.a. der öffentlichen Flächen). Grund hierfür ist, dass die GaP zu diesem Zeitpunkt noch im Haus wohnte. Dazu vereinbarten wir mit der GaP vorübergehende Beschränkungen und Regeln und suchten gemeinsam nach Strategien, um Verantwortung für die Taten und das eigene auch bereits zuvor kritisierte patriarchale Verhalten zu übernehmen, das wir als ermöglichend für die Gewalt sehen. Die GaP erklärte sich direkt am Anfang des Prozesses bereit, in eine Aufarbeitung mit einer Reflexionsgruppe zu gehen sowie andere Angebote dafür zu suchen.
Bis zum Juni 2025 geschah dies jedoch nach unserer Einschätzung auf Basis der Berichte der GaP gar nicht bis unzureichend und vor allem nicht kontinuierlich. In den Gesprächen mit der GaP zeigte sich diese nur teilweise einsichtig und musste immer wieder mit dem eigenem Verhalten konfrontiert werden, um dieses zu reflektieren. Zudem mussten wir feststellen, dass einige getroffene Vereinbarungen nicht eingehalten wurden und der eigentliche Reflexionsprozess und vor allem die darin notwendige Verhaltensänderung ausblieb. Außerdem wurden weiterhin Grenzen überschritten, auch die von Betroffenen. Nachdem die Aufarbeitung mit der GaP leider die vereinbarten Ziele nicht erreichen konnte, besprachen wir mit ihr einen Auszug aus dem Haus, um sich der Aufarbeitung einen besseren und ruhigeren Rahmen geben und sich um die eigenen offenen Themen kümmern zu können, die zur Gewalt beigetragen hatten. Im August 2025 zog die GaP daraufhin aus dem Haus aus und wir beendeten diesen Teil des Prozesses vorübergehend. Eine Absprache mit einer von der GaP angekündigten Reflexionsgruppe erfolgte aufgrund der fehlenden Rückmeldung der GaP leider nicht. Unser Haus gilt weiterhin als Schutzraum für die Betroffenen durch einen weitergehenden Ausschluss der GaP aus den gesamten Räumlichkeiten, bis die Ziele der Reflexion durch die GaP in Absprache mit der Prozessgruppe und dem Kollektiv erfüllt wurden.
Um den Prozess möglichst gut zu gestalten und alle Prinzipien einer kollektiven Aufarbeitung im Blick zu behalten, suchte die Prozessgruppe schnell externe Unterstützung und fand diese durch regelmäßige Supervisionstreffen mit erfahrenen Menschen aus dem KollUm-Kollektiv. Aktuell widmet die Gruppe sich weiterhin der Unterstützung der Betroffenen, reflektiert den Prozess und entwickelt daraus einen Leitfaden zum Umgang mit Gewalt für unser Kollektiv im Allgemeinen.

Hinweise: Manche sensible Details haben wir in diesem Statement aus Datenschutzgründen bewusst weggelassen und nur eine grobe Zusammenfassung des Geschehenen gegeben.
Solltet ihr beim Lesen des Textes gemerkt haben, dass auch ihr von Gewalt betroffen gewesen seid durch die beschriebene Person oder auch andere Menschen aus dem Umfeld des Hauses, zögert nicht, euch bei uns zu melden. Auch wenn ihr sonst Fragen an den Prozess habt, könnt ihr der Prozessgruppe gerne schreiben. Zur Kontaktaufnahme nutzt bitte folgende Mailadresse (und nicht Instagram), die von einer FLINTA*-Person betreut wird: aufarbeitung_komplex@riseup.net

In Solidarität mit den Betroffenen von körperlicher, sexualisierter und anderer Gewalt, let’s fight together.